Netzneutralität und die neuen DSL-Tarife der Telekom AG

Es verletzt keineswegs die Netzneutralität, wenn die Telekom ab einem bestimmten monatlichen Datenvolumen die Übertragungsrate bis nahezu zur Unbrauchbarkeit reduziert. Das ist ihr gutes Recht, es ist auch keineswegs unfair, denn für mehr Verbrauch mehr zu berechnen, ist eine gängige und akzeptable Praxis.

Tim Berners Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat Netzneutralität einmal so definiert: “If I pay to connect to the Net with a certain quality of service, and you pay to connect with that or greater quality of service, then we can communicate at that level.” (“Wenn ich zahle, um mich mit dem Netz mit einer gewissen Qualität des Dienstes zu verbinden, und Du zahlst, um Dich mit der gleichen oder einer besseren Qualität des Dienstes zu verbinden, dann können wir mit dieser Qualität kommunizieren.”). Netzneutralität heißt also, dass, nachdem eine Qualität vereinbart ist, es keine Rolle mehr spielt, wer mit wem – oder welchem Dienst – kommuniziert; das Netz sollte bezüglich der vereinbarten Dienstgüte neutral sein. Ist das bei den neuen DSL-Tarifen der Telekom der Fall?

Das IPTV-Angebot der Telekom und ähnliche Dienste werden nicht auf die limitierte Datenmenge angerechnet. Dazu schreibt Telekom Chef Obermann an den Bundeswirtschaftsminister: “‘Entertain’ nutzt zwar IP-Technologie, ist aber gerade kein typischer Internetdienst”. Die Diskussion, was ein typischer Internetdienst ist, scheint an dieser Stelle müßig. Eher ist von Interesse, was die – der gemeinsam genutzten IP-Technologie zugrunde liegende – Infrastruktur in welchem Umfang belastet. IPTV mit individuellen Videoabrufen ist hier sicher ein Schwergewicht. Während also ausgiebige Nutzung anderer Hochlastdienste zu einer Drosselung führen kann, dürfen Hochlastdienste der Telekom ohne nachteilige Folgen in beliebigem Umfang genutzt werden. Das Netz der Telekom verliert also seine Neutralität. Sollte eine solche Praxis Schule machen und ausgeweitet werden, bietet ein Internetzugang bald nicht mehr Zugriff auf das Netz der Netze, sondern in erster Linie Zugang zu den Diensten des jeweiligen Internet-Anbieters.

Durch eine Verletzung der Netzneutralität sieht denn auch Tim Berners Lee den Charakter und die Vielfalt im Netz gefährdet: “The moment you let net neutrality go, you lose the web as it is. You lose something essential – the fact that any innovator can dream up an idea and set up a website at some random place …” (“Sobald man die Netzneutralität aufgibt, verliert man das Web, wie es heute ist. Man verliert etwas sehr grundlegendes – nämlich, dass jeder mit einer Idee für diese einfach irgendwo eine Website aufsetzen kann …”).

Das Hochlastproblem fair und ohne Verletzung der Netzneutralität zu lösen, daran arbeitet die Internet Engineering Task Force (IETF). Martin Stiemerling hat diese Arbeiten in seinem Vortrag “Offene Standards im Spannungsfeld von Gesellschaft, Ökonomie und Politik” im “Abschnitt Netzneutralität & Kosten der ISP Infrastruktur” (ab Seite 10) auf der ISOC.DE Veranstaltung “Wer Macht das Internet?” vorgestellt.

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