Das ungewisse Schicksal der TMG-Reform

Erinnert sich noch wer? Vieles von dem, was CDU/CSU und SPD noch in seltener Eintracht in der Enquete-Kommission  des Jahres 2013 beschlossen hatten, fand keinen Eingang in den Koalitionsvertrag der “großen” Koalition. Die Reform der Störerhaftung durch eine Überarbeitung der Regelungen des zentralen Telemediengesetzes (TMG) aber schon: Die Mitglieder des Bundestagsausschusses “Digitale Agenda” sollten den Weg freimachen für mehr offenes WLAN in den Städten, indem die Haftungsrisiken etwa für Cafés, Freifunker oder städtische Hotspots reduziert werden. Denn als eine der Ursachen für die im Vergleich zu anderen Ländern ziemlich trostlose “Free-WiFi” Infrastruktur in Deutschland identifizierten die “Netzpolitiker” die “Störerhaftungs”-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die den Betreiber eines Internetzugangs neben dem Verursacher haften lässt, wenn ein Nutzer den Zugang für rechtswidriges Handeln, etwa für Filesharing, nutzt.

Die einfachste Möglichkeit, die durchweg ja in kommerziellem Interesse handelnden Betreiber von “WiFi to Stay”, aus der Haftung zu bringen, wäre dabei sicherlich gewesen, sie mit Internet-Zugangsanbietern gleichzustellen. Allein: Die Auflagen für den gewerblichen Betrieb von Telekommunikationsanlagen – zu dem der Betrieb von öffentlichen Netzzugängen nun mal gezählt wird – sind inzwischen so hoch, dass man die rechtlichen Folgen eher als zu kompliziert bis abschreckend fand. Café-Hotsposts einfach pauschal freizustellen, scheute man jedoch auch, da man beispielsweise bei Datensicherheit und Datenschutz die Gastronomen auch nicht völlig aus der Verantwortung entlassen wollte.

Leider mündeten diese guten Ideen jedoch in einen weniger guten Entwurf eines “Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes” (BT-Drs. 18/6745). In der Anhörung des Bundestages des federführenden Wirtschaftsausschusses  https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw51-pa-wirtschaft/398718 fiel der Text dann auch so deutlich durch, dass besonders die SPD-Fraktion auf weitreichende Überarbeitungen im parlamentarischen Verfahren drängte. Dem aber stellten sich Abgeordnete der CDU/CSU und mit ihnen solche entgegen, die eine Haftungsfreistellung öffentlicher WLAN-Zugänge mit Blick auf mögliche massenhafte Rechtsverletzungen zum Schaden von Rechteinhabern fürchten.

Die parlamentarischen Verhandlungen in und zwischen den Fraktionen sind hinter den Kulissen inzwischen wohl so festgefahren, dass man ganz froh darum sein dürfte, dass nun wegen eines Vorlageverfahrens des LG München I zum EuGH eine Pause im Verhandlungspoker eingelegt werden musste. Schon in zwei Wochen will der EuGH über Vorlagefragen des Gerichts entscheiden, die wesentliche Punkte des in Rede stehenden Gesetzentwurfs berühren: Ein Piratenfreifunker hatte erreicht, dass die Münchner Richter die Frage von Störerhaftung eines offenen Hotspots den europäischen Richtern zur Entscheidung vorlagen. https://www.offenenetze.de/2014/10/21/die-vorlage-lg-muenchen-i-zum-eugh-zur-haftung-bei-wlans-in-der-kurzanalyse/. Man wird also auch in Berlin die Entscheidungsbegründung abwarten, bevor man abschätzen können wird, ob die Begrenzung der Störerhaftung überhaupt noch als notwendig angesehen und von den Parlamentariern doch noch eine sinnvolle Reform des TMG erreicht werden wird. Im Zweifel könnte es jedoch besser sein, wenn die Netzpolitiker den Gesetzentwurf aus der Feder des Wirtschaftsministeriums dem Vergessen des heraufziehenden Wahlkampfes anheim fallen lassen, als ihn in die lange Reihe der gut gemeinten, aber schlecht gemachten Gesetzesvorhaben dieser Bundesregierung zu stellen.

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